Hanfmythen genau betrachtet – hemp myth buster 1 – Das “Sauerstoffwunder”

Im Zuge der Heiligsprechung der Hanfpflanze zur weltrettenden Wunderpflanze kann sich auch ein Wohlmeinender (ich arbeite mit Freude in der Hanfwirtschaft) einer gewissen Enervierung durch fahrlässig oder vorsätzlich verbreiteten Unfug nicht entziehen.

Hier also zumindest einige Gedanken zu einer etwas fundierteren Auseinandersetzung mit der folgenden These, gehypt in englischen, französischen deutschen – ansonsten durchaus ernst zu nehmenden – Fachgruppen:

One acre of hemp produces as much oxygen as 25 acres of forest !!!

 Un acre de chanvre produit autant d’oxygène que 25 acres de forêt !!!

 Ein Hektar Hanf produziert so viel Sauerstoff wie 25 Hektar Wald !!!

Zunächst gilt es festzustellen WAS eigentlich miteinander verglichen werden soll: ein Hanfbestand auf einem spanischen Grenzertragsstandort mit chronischem Wassermangel mit einem Regenwald  im Amazonasbecken? Ein Hanfbestand auf einem feuchten, nährstoffreichen ungarischem Niedermoor mit einem Wald nahe der Baumgrenze im Hochgebirge?

Nein, besser doch landwirtschaftliche Nutzflächen in relativer Nähe zu Wäldern, noch besser “Wälder” auf potenziellen landwirtschaftlichen Nutzflächen, also mit ähnlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Niederschlag, Bodenverhältnissen und Temperaturen: naheliegend also ein Vergleich von Kurzumtriebsplantage Laubholz gegen sommeranuelle Kultur Hanf!

Wenig überraschend stellen sich die Mengenverhältnisse in einem solchen Vergleich dar: Kurzumtriebsplantagen auf leichten bis mittleren Böden Deutschlands kommen auf etwa 10 t bis 15 t je Hektar und Jahr lufttrockenen erntefähigen Aufwuchs (15% Restfeuchte), Hanf erreicht dort selten mehr als 10 t bis 12 t Aufwuchs je Hektar und Jahr (12% Restfeuchte).

Etwas weniger effektiv als Kurzumtriebsplantagen kommen Nutzwälder mit (gemittelt über alle Altersstufen) einem jährlichen Zuwachs 8 t bis 12 t Trockenmasse (15% Restfeuchte) daher. Der jährliche Massezuwachs von Wald und Hanf liegt also auf durchaus vergleichbarem Niveau. Grund dafür sind natürliche Gesetzmäßigkeiten, denen sich auch “Wunderpflanzen” nicht entziehen können – speziell die Photosythese:

6 H2O + 6 CO2 stehen im Gleichgewicht mit  C6H12O6 + 6 O2

Auf der Basis einer chemischen Standardmenge von 1 Mol bedeutet die Gleichung, dass unter der Photosynthese 108 g Wasser und 264 g Kohlenstoffdioxid  in 180 g Zucker und 192 g Sauerstoff umgewandelt werden.

Die Speicherung von 1000 kg Kohlendioxid in etwa 680 kg Zucker (und später Stärke bzw. Zellulose, Eiweiß, Fett u.a. )  setzt demnach  etwa 720 kg Sauerstoff frei. Bei in der Größenordnung ähnlichem Massezuwachs von Hanf und Holz wird sich auch die Freisetzung von Sauerstoff auf etwa gleichem Niveau einpendeln.

Damit ist die Behauptung, dass eine Flächeneinheit Hanf 25 Mal soviel Sauerstoff freisetzt wie eine Flächeneinheit Wald eindeutig und endgültig widerlegt.

Geht man noch einen Schritt weiter und schaut sich an, was mit dem freigesetzten Sauerstoff bzw. dem gebundenen Kohlendioxid kurz-, mittel-  und langfristig geschieht, so  kann Hanf mit Wald nur dann auch nur ansatzweise mithalten, wenn er weitgehend stofflich verwendet wird, d.h. Hanffaser und Hanfholz in Gestalt dauerhafter Produkte wie etwa hochwertige Textilien oder Baustoffe aus dem Kreislauflauf permanenter Verstoffwechselung bzw. Kompostierung heraus genommen werden.

Dieses Schicksal des Vergehens bleibt rund einem Drittel des oberirdischen Aufwuchses von Hanf ohnehin nicht erspart: Samen, Blatt, Blüten und Rindenbestandteile setzen binnen weniger Monate nach der Ernte das einst in ihnen festgelegte Kohlendioxid wieder frei und “verbrauchen” dabei den zugehörigen, zuvor freigesetzten Sauerstoff.